Thuatha-Hügel-Con  10.-12.10.2003

PDF-Version                                                                                Conbericht von Chak (Bernd Robker)

Zwei Monate waren seit dem Fest in Österreich vergangen, an dem Christian mich zu dem Thuatha-Hügel-Con eingeladen hatte. Auf dem Fest war die Kulturbeschreibung der Mocha genehmigt worden, sodass sie auf diesem Con als eigenständiger Clan auftreten würden.

Ich war schon sehr gespannt auf das Wochenende, obwohl ich keine Vorstellung davon hatte, was mich erwartete. Im Gepäck hatte ich meine neue Mythanengewandung, bestehend aus weißer Robe, weißem Stoffgürtel, weißem Haarspray, weißer Hautfarbe und einem rosa Schwämmchen. Und natürlich meine Drachenlederweste (man muss ja zeigen, was man hat. Das habe ich beim Chef gelernt).

Der erste Abend begann mit herzlicher Begrüßung und meinem ersten Stolperer über eines von zwei schwarzen Dromedaren, die versehentlich als Hunde zur Welt gekommen waren, dabei aber ihre Körpergröße nicht wesentlich verändert hatten und dank ihrer Färbung in schummrigem Licht auf dunklem Boden perfekt getarnt waren.

Mindestens die Hälfte der Anwesenden kannte ich nicht; war aber nicht schlimm, mittlerweile kenne ich nur noch ein Viertel nicht ...

Am Samstag gab es einen Marsch. Im Grunde ein nicht allzu überraschender Programmpunkt, den ich aber im Vorfeld völlig aus den Augen verloren hatte, als ich von dem sportlichen Ehrgeiz gepackt worden war, meine gesamtes Reisegepäck in einer einzigen Tasche unterzubringen. Fazit: ich hatte keine marschtaugliche Gewandung. Siber, der alte Kumpeltyp, half mir netterweise mit einer Mischung aus Umhang und Samt-Sweatshirt mit Ärmeleingriff aus. Natürlich trug ich darüber statusbewusst die unverzichtbare Der-Marsch-ist-unsere-Disziplin-Drachenlederweste, die uns später noch wertvolle Dienste leisten sollte.

Dennoch setzte sich für mich der etwas holprige Start fort. Irgendwie hatte ich den (ebenfalls nicht ganz fern liegenden) Gedanken verpasst, dass wir Marschgruppen bilden sollten. Aus der Not eine Tugend machend, schloss ich mich einfach dem Grüppchen aus den Thuatha Luise, Marek und Olli, Proto-Thuatha Sebastian und Proto-Fellow Stephanie an, die ich zwar alle nicht kannte (siehe oben), mit denen ich mich aber nett unterhielt und von denen ich außerdem eine Menge lernen konnte. So weiß ich jetzt alles über thuathische Vulkanschafe auf Pfrtlpmf, die immer an den kühlen Luftströmungen ausgerichtet werden und kurhaarige, schwarze Wolle liefern, aus denen elegante Umhänge gefertigt werden. Wer das bestreitet, hat keine Ahnung.

Auf dem Marsch bereisten wir die thuathischen Stammkönigreiche auf der Suche nach Speisen und Getränken für das Festmahl, zu dem wir eingeladen waren, denn leider waren unserem Gastgeber die Vorräte ausgegangen. Dabei gab es natürlich diverse Aufgaben zu lösen: wir mussten zu zweit ein Lied vortragen, wobei der eine sang und der andere zu diesem Playback die Show machte, mit verbundenen Augen eine Kissenschlacht liefern, eine Probe reiterischen Könnens ablegen, einen Schädel töpfern, einen von uns als Ziege verkleiden, der dann von einem anderen gemolken wurde – für seine überzeugende Darstellung bekam Marek später den Ehrentitel »erste Ziege Magiras«.

Am besten hat mir aber der Posten gefallen, an dem wir eine landestypische Tracht anfertigen mussten. Wir entschieden uns für etwas Ranabarisches: Lendenschurz in Ranabar-Blau mit dazu passendem Turban, der den Kopfumfang der Trägerin soweit optimierte, dass sie gerade noch durch die Tür passte. Komplettiert wurde der Aufzug natürlich – na? – durch meine Drachenlederweste!

Auch ein netter Einfall war, dass jede Gruppe einen Anführer hatte, der bestimmen musste, wer bei dem jeweiligen Posten die Aufgaben lösen sollte.

Beim anschließenden Teetrinken musste ich dann endlich etwas gegen das Gefühl tun, die buschigen Augenbrauen meines Lords würden mir unentwegt im Nacken kitzeln, verbrachte ich doch schon einen halben Tag in der Nähe einer Neo, ohne dass ich diese dazu bewegt hatte, sich auf der Anwärterliste des Drachenordens einzutragen. Ich startete also zwischen zwei Bissen leckeren Kuchens das Anwerbemanöver A, Variante Beta indem ich den Aufbau der Drachenlederweste in letzter Ausbaustufe erläuterte. Überraschenderweise erwies sich das Ziel als höflich, aber völlig desinteressiert. Irgendwie sind die Neos nicht mehr das, was sie vor zehn Jahren einmal waren. Zum Glück entwickelte die Proto-Fellow dann aber eine Faszination für Geographie, wo ich dann mit einer Spontanzeichnung der Alten Welt glänzen konnte (Yddia und EW in perspektivisch korrekter Verkleinerung). Natürlich waren Hinweise auf besondere Highlights inbegriffen (»Hier links sehen Sie Kreos, die älteste Stadt der Welt.«). Dabei gelang es mir, überaus dezent die ranabarische Weltsicht unterschwellig einzubringen.

Durch diesen schönen Erfolg ermutigt, konnte ich selbstbewusst eine Treppe höher in den Rittersaal schreiten und an Jupps Überraschungs-Quiz teilnehmen.

Zwei Stunden später hatte sich dann beides erledigt – Quiz und Selbstbewusstsein. Mir war gar nicht präsent, wie viele Fernsehserien es gibt! Einziger Lichtblick: Jupp hat nicht geschnallt, dass ich bei den Namen der beiden Zeitreisenden aus »Time Tunnel« einfach nur geraten hatte, und mir dafür zwei Punkte gegeben. Aber vielleicht heißen sie ja zufällig wirklich John und Jake ...

Anja verwandelte mich mit Hingabe in den bleichsten Mythanen, der ich jemals war. Der für 2000 Uhr angesetzte Zeremonienabend begann dann fast pünktlich um 2200 Uhr.

Nach meinem Eindruck hat der Abend mit seiner dichten Atmosphäre den meisten sehr gut gefallen. Ich denke, das hat zwei Gründe: Spontaneität und Zusammenspiel.

Der Grundplot des Abends basierte auf einer Mail mit zwei Sätzen, die Christian mir ein paar Wochen vor dem Con zugeschickt hatte. Darin war beschrieben, dass die Mocha »alle Anwesenden« in das Hügelreich einladen würden, woraufhin sich ein Mythane (ich) einschleichen würde. Außerdem sollte ich jemanden, der die Mythanen im EWS herausgefordert hatte, töten. Die Anwesenden würden dann darüber entscheiden, ob diese Figur tot bleiben oder durch die Kräfte Mochs wiederbelebt werden sollte.

Am Nachmittag sprach ich mit Jürgen = Jalmur, meinem Opfer, durch, wie unser Part aussehen sollte.

Wenige Minuten vor den Zeremonien überlegte ich mit Christian gemeinsam, welchen Platz ich wohl vom Hügelprinzen angewiesen bekommen würde und ob dieser jemanden dazu aufstehen lassen würde. Christian meinte dann nach kurzem Überlegen, er würde seinen eigenen Platz für den Mythanen räumen.

Und das war alles! Mehr Absprachen gab es nicht! Alles Andere basierte darauf, dass die Anwesenden bereit waren, ihren Magira-Egos große Leiden zuzufügen – hervorragend ausgespielt von Anja! – und auf Aktionen der Anderen einzugehen, mit ihnen und nicht gegen sie zu spielen.

Ich stehe ganz am Ende der Schlange, die Einlass begehrt, geduckt unter einem Umhang, die vom weißen Spray spröden Haare hängen mir ins Gesicht. Nach dem Willkommenstrunk, während ich mir noch meine Worte durch den Kopf gehen lasse, werde ich von einem in Honig getunkten Keks überrascht, der mir als besondere Leckerei direkt unter die Nase gehalten wird. Ich nehme ihn (Berndscher Süßigkeiten-Reflex). Fehler. Ich beiße einmal ab und habe neben Keks und Honig auch gleich eine Menge Haare im Mund. Keks in der rechten Hand – mit der linken Hand den Mantel zu halten – im Gesicht unter der Kapuze spastische Zuckungen, um die Haare wieder auszuspucken – vorne beim Hügelprinzen eine Schamanin (Chat Bidu), die bereits dazu rät, den »unbekannten Gast« zur Rede zu stellen. Kein Platz, um den Keks abzulegen. Mist. Schnell noch mal abbeißen. Der Hügelprinz fordert mich auf, mich zu erkennen zu geben. Schneller kauen. Zu schnell geschluckt, Krümel im Hals. Ich muss mich zusammennehmen, um nicht völlig unmythanisch zu husten und zu röcheln. In der Zeit kann ich ja schon mal cool ein paar Schritte nach vorn machen. Zweite Aufforderung des Hügelprinzen. Schnell den Rest vom Keks in den Mund stopfen. Krunsch, krunsch, krunsch. Hoffentlich hört das keiner. Außerdem wieder Haare im Mund, Honig auf den Fingern und vielleicht auch in den Haaren und im Gesicht. Ich muss grinsen bei der Vorstellung, einen Mythanen mit Honigmund zu präsentieren. Das ist der richtige Augenblick. Ich werfe den Umhang ab. Mein Grinsen geht als geheimnisvoll-mythanisches Lächeln durch. Der Abend ist gerettet.

Bewährte Methode: erst mal die Anwesenden leicht anschocken. Ich fordere den Hügelprinzen auf, mir einige seiner Zeitkristalle zu überlassen. Schließlich könne jemand mit Visionen eine Menge mit der Herrschaft über die Zeit anfangen. Außerdem könne man einigen zeigen, dass es in einer Ewigkeit voller Qualen keine Hoffnung gibt.

Erwartungsgemäß windet Arkan sich. Ich frage nach meinem Platz und bekomme den von Siber, der durch das verlorene Duell mit dem Mythanen im EWS noch immer wahnsinnig ist. Arkan ist viel zu lange verdattert, um zu verhindern, dass ich mich setze.

Kurz darauf fordere ich denjenigen, der mich um meinen Körper gebracht hat, dazu auf, sich zu erkennen zu geben. Das ist Jalmurs Stichwort. Ich quäle ihn ein wenig mit einem eisigen Griff um sein Herz und bringe ihn dann um.

Im weiteren Verlauf des Abends kommentiere ich immer wieder das Geschehen. Unentwegt wird Arkan zur Rede gestellt, wie er einem Mythanen Einlass gewähren könne. Niemand lässt die Hände weit von seinen Waffen.

Es gibt keine Zeremonien im eigentlichen Sinne, alles geht ineinander über, alles bezieht sich auf das Vorhergehende, der Abend ist aus einem Guss. Sogar in den Pausen wird auf dem Hof weitergemacht. Es ist eher ein Live Rollenspiel als ein Zeremonienabend. Ich meine zu spüren, wie sich die Abneigung, vielleicht auch der Hass der Menge auf die Figur, die ich spiele, immer weiter steigert. Den Gipfel erreicht diese Entwicklung, als Ethron alle Anwesenden, die wünschen, dass ich den Raum sofort verlasse, dazu auffordert, sich von ihren Plätzen zu erheben. Bis auf die Hügelvölkler, die durch das Gastrecht gebunden sind, steht der ganze Saal. Arkan droht die Kontrolle zu verlieren. Die Menge ist aufgebracht. Arkan fuchtelt mit den Fäusten, brüllt, fordert alle auf, sich zu setzen. Beinahe kippt die Situation, aber der Hügelprinz behält gerade noch die Oberhand.

Dem voraus gingen unzählige kleinere Aktionen, jede für sich so fantastisch, dass sie andere Abende bestimmt hätten:

Leiahna, die auf die Aussage: »du musst nicht leben, wenn du nicht willst« völlig ansprang und eine unglaubliche Vorstellung hinlegte, mit einem ständigen sehnsüchtigen »ich will es erleben« und der Bitte an ihre Freunde, sie zu töten. Feach, der sie todesmutig zu schützen suchte.

Ethron und Jethro mit ihrer nimmermüden Aufforderung, dem Mythanen den Kampf anzusagen und ihn sofort zu entfernen.

Siber, der erst den harmlosen Verrückten spielte und dann erklärte, er werde Lichtzeichen auf Magira setzen – mit brennenden Städten und Menschen in Käfigen, die er als lebende Fackeln verwenden wolle.

Quasar Quer, der dem Mythanen direkt den Kampf aufs Messer ankündigte mit der Folge, dass der Mythane versprach, ihn von nun an im Auge zu behalten.

Ti-ana, die schließlich doch nicht widerstehen konnte, ihr Amulett von dem Mythanen mit einem Zauber belegen zu lassen.

Die geraunten Tischgespräche mit Arkan, so wie dieses:

M: »Messt Ihr den Speisen auch so viel Bedeutung bei wie die Sterblichen?«

A: »Nein, wir essen nur zum Vergnügen.«

M: »Dann haben wir wieder etwas gemeinsam.«

A: »Tatsächlich? Was können wir Euch anbieten?«

M: »Habt Ihr schon einmal Kinderblut gekostet?«

A macht ein Gesicht, als hätte er einen Wein getrunken, der so trocken ist, dass sich die Zunge sofort in eine Dörrpflaume verwandelt. Über den Rest des Abends verteilt betont er wenigstens fünfmal, dass die Mocha auf gar keinen Fall Kinderblut trinken und es auch nicht versuchen wollen.

Am Ende des Abends überreicht Arkan die Mondaxt an Siber, was den Wahnsinn aufhebt, der sich über Sibers Geist gelegt hatte. Siber erneuert den Mythanenschwur und bittet Twrch thrwydd, ihm bei seinem Kampf zu helfen, weil er das richtige Blut dazu in den Adern habe. Man darf gespannt sein, welchen Preis Twrch thrwydd dafür fordern wird.

Im Finale stimmen die Gäste – mit Ausnahme des Mythanen – darüber ab, ob Jalmur leben oder sterben soll. Man entscheidet sich mit großer Mehrheit für das Leben. Sehr zur Freude des Mythanen, übrigens, denn damit entscheidet man sich gegen die Gesetze der Natur, macht sie brüchiger und durchlässiger, auch für die Rückkehr von Lykon Medastes' Körper ...

Es gab auch die Auflösung des Marsches an diesem Abend oder den Followeid der Mitglieder des Hügelvolkes sowie Rashkas Aufnahme zum Probejahr bei den Mocha. Aber all das fand in der dichten Atmosphäre der Grundhandlung statt, die über allem lag und sich bis zum Finale steigerte. Für mich war der ganze Abend eine einzige, lange Zeremonie ohne Drehbuch. Und in der Dusche brauchte ich eine halbe Stunde, bis das Wasser, das an meinem Astralkörper herunter perlte, nicht mehr milchig weiß war.

Der Sonntag gehörte dann ganz dem gemütlichen Ausklang mit ständigen Verabschiedungen. Jupp kramte noch mal eine Menge DVDs und Videos zum Verkauf raus. Für mich war leider nichts dabei. Okay, zugegeben – bei »Liane, die weiße Sklavin« habe ich überlegt ...

Nicht zu überlegen brauche ich, wenn ich mal wieder eine Einladung zu einem Thuatha-Hügel-Con bekomme: ich werde dabei sein.